Sozialabbau als Politik

Sozialabbau als Politik, von Oswald Sigg, November 2017

Anfangs Jahrhundert war die Welt in Bern, im Vergleich zu heute, noch in Ordnung. Da gab es in der Politik Persönlichkeiten wie Kurt Mäusli (SP), Thomas Fuchs (SVP) und Adrian Haas (FdP). Als die Berner Stadtregierung glaubte, sie müsse ihren medialen Auftritt modernisieren und den Bär aus dem Logo der Stadtverwaltung entsorgen, schritten Mäusli, Fuchs und Haas kurzerhand ihrem parteilosen Kollegen zu Hilfe und lancierten eine Initiative dagegen. Der Stadtpräsident, Alexander Tschäppät, gab klein bei und der Bär durfte bleiben, dort, wo er schon immer war.

Seit einem Jahr ist wieder ein hohes „Tier“ tätig in der Berner Politik: Regierungsrat Pierre Alain Schnegg. Von seinem Namen jedoch lässt sich der amtierende Gesundheits- und Fürsorgedirektor, mindestens in der Sozialpolitik, in keiner Weise leiten. „Von Schnegg überrumpelt“ lautete kürzlich eine Schlagzeile. Im 185-Millionen-Sparpaket der Berner Regierung findet sich eine mit 44.7.7. bezifferte Sparmassnahme, die den sozialen Bereich betrifft und 2,1 Millionen Franken ausmacht.

Nun stehen ja die Sozialhilfe-Budgets in der Schweiz seit Jahren unter Druck. In den Kantonen Basel und Zürich hat das vorab Folgen für die provisorisch Aufgenommenen Asyl-Bewerberinnen und -Bewerber (- 65% der zuvor ausbezahlten Beträge in Zürich). In 17 Kantonen wird die Sozialhilfe für junge Erwachsene um 20 % gekürzt. Sie haben noch 789 Franken pro Monat zur Verfügung.

Im Kanton Bern hat Regierungsrat Schnegg sein Sozial-Sparprogramm wohlweislich unter Verschluss gehalten und erst ein paar Tage vor der Diskussion im Grossen Rat veröffentlicht. Das bernische Sozialhilfegesetz gleicht teilweise einem Strafvollzug für Sozilahilfeabhängige. Deshalb sieht Schnegg‘s Sparprogramm vor, jungen Erwachsenen, die weder arbeiten noch eine Ausbildung absolvieren, den Grundbedarf um 30 % zu kürzen. Dieselbe Kürzung gibt es für jene, die nach einem halben Jahr Sozialhilfebezug noch immer keine der beiden Amtssprachen (Deutsch oder Französisch) beherrschen. Allein 800’000 Franken können durch die Schliessung von zwei Übergangsheimen für Flüchtlinge und 400‘000 Franken bei der Mütter- und Väterberatung gespart werden. Dann kommen Kleinkinder, Kitas, Schwule, Jugendliche und Frauen dran, als Beispiele: Spielgruppen (- 250‘000), Fachstelle Spielraum (- 50‘000), Homosexuelle Arbeitsgruppe (- 50‘000), Aufhebung der Beiträge an den Internationalen Sozialdienst (- 57‘000) und an die Frauenberatungsstelle Infra (- 40‘000). Gespart wird zudem bei den Beiträgen an die SAH-Arbeitsvermittlung, an Caritas und an das Schweizerische Rote Kreuz.

Eine soziale Politik ist so etwas nicht. Auch keine, die mit Fürsorge etwas zu tun haben könnte. Eine Schlagzeile zur landesweiten Abbaubewegung bringt es auf den Punkt: „Brutal asozial!“

(Quellen: SDA, Bund, NZZ, Vorwärts)