Wie viel ist die Arbeitskraft der Menschen wert?

Ein Arzt schrieb vor kurzem auf Twitter: «Fragt doch eure Fussballer, ob Sie euch den Corona-Virus heilen können, schliesslich bezahlt ihr denen Millionen und nicht uns!». Dieser Beitrag wurde viele Millionen Male in den sozialen Medien geteilt. Diese Diskussion, welche der Arzt anspricht, ist zwar aktuell, aber nicht neu. Heute riskieren medizinische Mitarbeitende ihre Gesundheit oder fast ihr Leben um die Gesellschaft am Leben zu erhalten. In den Branchen Gesundheit, Betreuung, Detailhandel und Baugewerbe können die Mitarbeitenden die Massnahmen des Bundesamtes mehrheitlich nicht einhalten. Es wird aufgerufen, zu Hause zu bleiben, jedoch müssen die Arbeitenden der Spitäler, der Kitas, der Baustellen, der Lebensmittelgeschäfte und viele andere Unternehmen weiterhin zur Arbeit. Würden Sie Ihr Leben riskieren, damit das gesellschaftliche Leben erhalten bleibt? Viele würden es wahrscheinlich nicht. Durch Applaudieren versuchen wir uns bei diesen Personen zu bedanken, welche ihr Leben für andere Menschen riskieren. Das ist auch richtig so, jedoch sollten wir uns nicht nur in Krisensituationen bei diesen Menschen bedanken.

Vor einigen Jahren hätte die Diskussion, ob ein CEO und ein Pfleger denselben Lohn erhalten sollen, mit Schweigen geendet. Denn beide Argumente pro und contra schienen berechtigt zu sein. Nun hat diese Diskussion ein vorläufiges Ende erreicht.

Die Gesellschaft hat sich vor der aktuellen Krise Berufe ausgesucht, welche mehr Wert waren als andere. Diese Unterscheidung haben wir aufgrund der Art der Arbeit und der notwendigen Bildung dafür festgelegt. Wenn man aber eine Arbeit leistet, die keine oder nur eine Grundbildung braucht, sollte man weniger verdienen als Menschen mit einer höheren Ausbildung. Diese Meinung ist berechtigt, denn man investiert viele Jahre des Lebens, um eine höhere Ausbildung abzuschliessen. Dazu muss man eine Reihe von Examen bestehen bis man den Ausbildungsstand erreicht hat.

Durchhaltevermögen und Intelligenz ist aber nicht alles, was es braucht, um einen gerechten Lohn zu bekommen. Besser gesagt: Wir leben in einem System, in dem es auch ohne diesen langen Bildungsweg möglich ist, ein gleiches Resultat zu erzielen. Dafür braucht man vor allem in die richtigen Familie geboren zu werden.

Aufteilung der Chancen auf eine höhere Ausbildung bei der Geburt

In wohlhabenden Familien zum Beispiel werden Kinder, welche Mühe in in der Schule  haben, zum Privatunterricht geschickt. Nur wenige haben das Interesse daran, jung ins Arbeitsleben zu springen. Eine Berufslehre kommt deswegen nur selten in Frage. Von der Privatschule ins Ballett, zurKlavierstunde und manchmal noch zur Tagesmutter, ehe am Abend der Babysitter kommt: Ein randvoller Terminkalender haben die Wohlstandskinder. Falls die Fähigkeiten der Kinder für die Zulassung an eine Matura oder Gymnasium doch nicht reichen, stehen sogar private Schulen zur Verfügung. Bachelor Abschlüsse in Administration von einer privaten Hochschule reichen für die Kinds des CEOs aus, um die Firma zu übernehmen. Falls er in seiner Position nicht erfolgreich sein sollte, werden Manager angestellt, welche wiederum die Materie verstehen und assistieren den Nachfolger in seiner Position. 

In Familien, welche seit Generationen von der Armut betroffen sind, sieht die Situation ganz anders aus. Diese müssen mindestens gute bis sehr gute Leistungen in staatlichen Schulen erbringen und haben meist nur die Hilfe der Lehrpersonen zur Verfügung. Diese Hilfe müssen sie sich jedoch mit 15-20 anderen Schüler teilen. Falls die Noten in einem Fach schlecht sind, entscheidet die Gesellschaft, dass es am Durchhaltevermögen oder an der Intelligenz des Kindes fehlt. Wenn das Kind es aber doch zu einer höheren Bildung schafft, muss die ganze Familie finanziell mithelfen damit es die Ausbildung beenden kann. Falls der Student ein Stipendium bekommt, muss er trotzdem einen Nebenjob annehmen, weil gegen Ende des Monats jeder Rappen zählt. Dadurch leidet das Studium und die Semester müssen wiederholt werden. In der Zwischenzeit werden die Eltern älter und werden pensioniert. Es kommt also dazu, dass man die Familie unterstützen muss, noch bevor man das Studium abgeschlossen hat. Viele brechen das Studium leider in diesem Moment ab.

Aus diesem Grund ist das System, die Gehälter der Menschen anhand der Ausbildung zu messen, nicht ganz korrekt. Solange die Chancengleichheit in der Bildung und Ausbildung nicht gewährleistet ist.

Wie viel schätzen Sie, wären die aktuellen Heldentaten der Pflegenden Ihnen Wert? Tausende von Franken, Millionen?

Ich fühle mich nicht wohl, dem Leben dieser Menschen einen quantitativen Wert zu geben. Deswegen sollten wir aufhören, die Arbeitskraft der Menschen als Ware anzusehen und ein Preisschild darauf zu kleben.

Ich verstehe den Arzt, welche die Lohnungleichheit zwischen Fussballern und Fachleuten in der Medizin vergleicht. Während der Fussballer Ronaldo sich und seiner Familie eine private Insel kauft um die Selbstisolation zu verbringen, müssen andere auf die Unterstützung der Regierung warten weil sie ihre Arbeit verloren haben. Während Menschen die Mieten nicht mehr bezahlen können, weil sie Lebensmittel kaufen müssen, kaufen sich andere Inseln… Die Ungleichheit ist sichtbar vorhanden.

Heute wollen wir noch nicht über die Ungleichheit der Löhne diskutieren. Um diese Krise zu überstehen, brauchen die notleidenden Menschen rasche finanzielle Unterstützung. Grundmittel und medizinische Artikel müssen für alle zugänglich sein und es braucht Lösungen für die medizinischen Zusatzkosten der Einzelpersonen.

Das ist eine Krisensituation.  Die Epidemie müssen wir überwinden. Das Laufen der Wirtschaft ist wichtig, muss aber hinter der Gesundheit der Menschen anstehen. Am Besten wäre eine gesunde Bevölkerung und eine laufende Wirtschaft.

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