Am 6. April 2022 hiess der Bundesrat einen Bericht gut, der einen Überblick über seine Tätigkeiten in der Armutsprävention gibt. Der Bericht fokussiert sich hauptsächlich auf die Aktivitäten der nationalen Plattform gegen Armut, die 2019 das nationale Programm zur Prävention von Armut abgelöst hat.
In der Schweiz sind gemäss aktuellen Zahlen rund 722’00 Personen von Armut betroffen, was 8,5 Prozent der ständigen Wohnbevölkerung der Schweiz entspricht. Seit 2014 weist die Quote eine steigende Tendenz auf. Von Armut betroffen heisst, die Personen verfügen nicht über ein Einkommen über dem Existenzminimum.
Die steigende Tendenz bald über ein Jahrzehnt sollte nicht nur bei uns, sondern auch den Politiker:innen in Bern Bauchschmerzen machen. Vor allem, weil die soziale Absicherung der Bevölkerung als Verfassungsziel verankert wurde. Des Weiteren hat die Schweiz im Rahmen des internationalen Abkommens Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung sich dazu verpflichtet, Armut zu bekämpfen und zu reduzieren. Dies ist vor allem interessant, da die konkrete Umsetzung der Armutsbekämpfung in den Händen von Kantonen und Gemeinden liegt. Der Bund verfügt im Wesentlichen über Handlungsspielraum in Sachen Armutsprävention in verschiedenen Ausprägungen in den jeweiligen Bereichen.
Im Jahr 2010 verabschiedete der Bundesrat eine „Gesamtschweizerische Strategie zur Armutsbekämpfung“, vier Jahre später wurde ergänzend ein auf fünf Jahre angelegtes Programm zur Bekämpfung und Prävention von Armut lanciert. 2018 entschied der Bund dieses Engagement für weitere sechs Jahre fortzusetzen, heisst dieses endet regulär 2024. Aus diesem Einsatz heraus entstand wiederum die Nationale Plattform gegen Armut (2019-2024). Dieses Engagement wurde jedoch rasch wieder reduziert, weil zum einen wichtige Grundlagenarbeiten bereits geleistet wurden und andererseits für die Umsetzungen der Programmempfehlungen vor allem Kantone und Gemeinden verantwortlich sind. Des Weiteren verzichtet der Bundesrat auf die Einführung eines nationalen Armutsmonitorings, welches die Steuergruppe des Programms empfohlen hatte.
Dies blieb nicht ohne Folgen und stiess auf Kritik, die sich u. a. in Form von zwei Vorstössen aus dem Parlament äusserte:
- Postulat 19.3954, angenommen am 19.09.2019, verlangt vom Bundesrat zu prüfen, wie die Aufgabe der Armutsprävention seitens des Bundes weitergeführt werden kann. Fokus soll hierbei vor allem auf das Armutsrisiko von Jugendlichen und jungen Erwachsenen gelegt werden.
- Motion 19.3953, angenommen am 2.06.2020, fordert vom Bundesrat die Einführung eines nationalen Armutsmonitorings.
Der vorgelegte Bericht erfüllt das Anliegen des Postulats 19.3954.
Hinweis: Der Bericht verzichtet auf eine abschliessende Bilanz der Plattform gegen Armut sowie eine Formulierung zum weiteren Vorgehen. Dies soll Aufgabe der Auswertung der Plattform und des für 2024 geplanten Schlussberichts sein.
Die Plattform gegen Armut führt die bewährte Organisationsstrukturen des Vorgängermodells fort. Mit der geplanten engeren Zusammenarbeit der Akteur:innen in Sachen Armutsprävention sollen die Zusammenarbeit und der Austausch gestärkt werden, die Fachdiskussionen vertieft und Wissen vertieft werden. Der Bund nimmt damit eine aktive Rolle in Sachen Armutsprävention ein. Nach 2020 und dem Ausbruch der Corona-Pandemie entschied man sich, die Auswirkungen der Krise (Schwerpunkte Armut und Ungleichheit) als Zusatzschwerpunkte aufzunehmen.
In der ersten Hälfte der Laufzeit beschäftigt sich die Plattform hauptsächlich mit folgenden drei Themen: Partizipation, gefährdete Jugendliche und Erwachsene, Corona-Pandemie (neu) und damit die Auswirkungen der Krise auf Armut und sozioökonomische Ungleichheit. Es wurden während der Krise 2020 keine Abstriche bei den Themen gemacht, im Gegenteil wurde zeitnah reagiert und das bestehende Konzept erweitert. Der Bund ist in Sachen Armutsprävention nicht auf die Plattform beschränkt, sondern engagiert sich des Weiteren auch auf die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie, die Verbesserung sozialbenachteiligter Jugendlicher, Bekämpfung von Familienarmut. Dennoch sind pandemiebedingt auch zahlreiche Weiterbildungen, Grundlagenarbeiten und Veranstaltungen auf der Strecke geblieben.
Mit Annahme der Motion 19.3953 hat der Bundesrat dem Eidgenössischen Departement des Inneren 2021 den Auftrag erteilt, ein nationales Armutsmonitoring umzusetzen und bis 2025 einen ersten Bericht vorzulegen. Während sich Inhalt und Auftrag bei Plattform und Monitoring deutlich unterscheiden, so sind ihre Steuerungs- und Begleitgremien nahezu gleich. Das heisst konkret: „Das Monitoring betrachtet die Armutsprävention in einer Gesamtperspektive, stellt Steuerungswissen bereit und trägt dazu bei, dass armutspolitische Entscheidungen evidenzbasiert und auf dem aktuellsten Wissensstand getroffen werden. Die Plattform dagegen ist auf die Praxis ausgerichtet. Sie unterstützt Kantone und Gemeinden bei der Umsetzung armutspolitischer Empfehlungen, generiert handlungsbezogenes Knowhow in ausgewählten Themengebieten und fördert die Vernetzung und den Erfahrungsaustausch unter den Akteuren der Armutsprävention“ ( S. III).
- „Ob und wie sich der Bund weiterhin in der Praxis der Armutsprävention und -bekämpfung engagiert, wird Gegenstand der Evaluation und des Schlussberichts (S. IV)
Allein die Frage nach dem „Ob“ ist blanker Hohn, bei jährlich steigenden Zahlen und aktueller Inflation.
Den vollständigen Bericht finden Sie hier. Sicher keine leichte Kost für laue Sommerabende am See, aber dennoch eine spannende Lektüre, die es sich zu lesen lohnt.
Erstellt am 8. Juni 2022 von Yvonne Feri
Von verpassten Chancen und den Folgen der Pandemie
Am 6. April 2022 hiess der Bundesrat einen Bericht gut, der einen Überblick über seine Tätigkeiten in der Armutsprävention gibt. Der Bericht fokussiert sich hauptsächlich auf die Aktivitäten der nationalen Plattform gegen Armut, die 2019 das nationale Programm zur Prävention von Armut abgelöst hat.
In der Schweiz sind gemäss aktuellen Zahlen rund 722’00 Personen von Armut betroffen, was 8,5 Prozent der ständigen Wohnbevölkerung der Schweiz entspricht. Seit 2014 weist die Quote eine steigende Tendenz auf. Von Armut betroffen heisst, die Personen verfügen nicht über ein Einkommen über dem Existenzminimum.
Die steigende Tendenz bald über ein Jahrzehnt sollte nicht nur bei uns, sondern auch den Politiker:innen in Bern Bauchschmerzen machen. Vor allem, weil die soziale Absicherung der Bevölkerung als Verfassungsziel verankert wurde. Des Weiteren hat die Schweiz im Rahmen des internationalen Abkommens Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung sich dazu verpflichtet, Armut zu bekämpfen und zu reduzieren. Dies ist vor allem interessant, da die konkrete Umsetzung der Armutsbekämpfung in den Händen von Kantonen und Gemeinden liegt. Der Bund verfügt im Wesentlichen über Handlungsspielraum in Sachen Armutsprävention in verschiedenen Ausprägungen in den jeweiligen Bereichen.
Im Jahr 2010 verabschiedete der Bundesrat eine „Gesamtschweizerische Strategie zur Armutsbekämpfung“, vier Jahre später wurde ergänzend ein auf fünf Jahre angelegtes Programm zur Bekämpfung und Prävention von Armut lanciert. 2018 entschied der Bund dieses Engagement für weitere sechs Jahre fortzusetzen, heisst dieses endet regulär 2024. Aus diesem Einsatz heraus entstand wiederum die Nationale Plattform gegen Armut (2019-2024). Dieses Engagement wurde jedoch rasch wieder reduziert, weil zum einen wichtige Grundlagenarbeiten bereits geleistet wurden und andererseits für die Umsetzungen der Programmempfehlungen vor allem Kantone und Gemeinden verantwortlich sind. Des Weiteren verzichtet der Bundesrat auf die Einführung eines nationalen Armutsmonitorings, welches die Steuergruppe des Programms empfohlen hatte.
Dies blieb nicht ohne Folgen und stiess auf Kritik, die sich u. a. in Form von zwei Vorstössen aus dem Parlament äusserte:
Der vorgelegte Bericht erfüllt das Anliegen des Postulats 19.3954.
Hinweis: Der Bericht verzichtet auf eine abschliessende Bilanz der Plattform gegen Armut sowie eine Formulierung zum weiteren Vorgehen. Dies soll Aufgabe der Auswertung der Plattform und des für 2024 geplanten Schlussberichts sein.
Die Plattform gegen Armut führt die bewährte Organisationsstrukturen des Vorgängermodells fort. Mit der geplanten engeren Zusammenarbeit der Akteur:innen in Sachen Armutsprävention sollen die Zusammenarbeit und der Austausch gestärkt werden, die Fachdiskussionen vertieft und Wissen vertieft werden. Der Bund nimmt damit eine aktive Rolle in Sachen Armutsprävention ein. Nach 2020 und dem Ausbruch der Corona-Pandemie entschied man sich, die Auswirkungen der Krise (Schwerpunkte Armut und Ungleichheit) als Zusatzschwerpunkte aufzunehmen.
In der ersten Hälfte der Laufzeit beschäftigt sich die Plattform hauptsächlich mit folgenden drei Themen: Partizipation, gefährdete Jugendliche und Erwachsene, Corona-Pandemie (neu) und damit die Auswirkungen der Krise auf Armut und sozioökonomische Ungleichheit. Es wurden während der Krise 2020 keine Abstriche bei den Themen gemacht, im Gegenteil wurde zeitnah reagiert und das bestehende Konzept erweitert. Der Bund ist in Sachen Armutsprävention nicht auf die Plattform beschränkt, sondern engagiert sich des Weiteren auch auf die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie, die Verbesserung sozialbenachteiligter Jugendlicher, Bekämpfung von Familienarmut. Dennoch sind pandemiebedingt auch zahlreiche Weiterbildungen, Grundlagenarbeiten und Veranstaltungen auf der Strecke geblieben.
Mit Annahme der Motion 19.3953 hat der Bundesrat dem Eidgenössischen Departement des Inneren 2021 den Auftrag erteilt, ein nationales Armutsmonitoring umzusetzen und bis 2025 einen ersten Bericht vorzulegen. Während sich Inhalt und Auftrag bei Plattform und Monitoring deutlich unterscheiden, so sind ihre Steuerungs- und Begleitgremien nahezu gleich. Das heisst konkret: „Das Monitoring betrachtet die Armutsprävention in einer Gesamtperspektive, stellt Steuerungswissen bereit und trägt dazu bei, dass armutspolitische Entscheidungen evidenzbasiert und auf dem aktuellsten Wissensstand getroffen werden. Die Plattform dagegen ist auf die Praxis ausgerichtet. Sie unterstützt Kantone und Gemeinden bei der Umsetzung armutspolitischer Empfehlungen, generiert handlungsbezogenes Knowhow in ausgewählten Themengebieten und fördert die Vernetzung und den Erfahrungsaustausch unter den Akteuren der Armutsprävention“ ( S. III).
Allein die Frage nach dem „Ob“ ist blanker Hohn, bei jährlich steigenden Zahlen und aktueller Inflation.
Den vollständigen Bericht finden Sie hier. Sicher keine leichte Kost für laue Sommerabende am See, aber dennoch eine spannende Lektüre, die es sich zu lesen lohnt.
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