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Digitalisierung – Für die einen ein Fluch, für die anderen ein Segen

Bei jedem sozialen Phänomen im kapitalistischen System gibt es Gewinnende und Verlierende. So auch bei der Digitalisierung. Während der Zugang zu Social Media für marginalisierte Gruppen als verbindendes, ermächtigendes Werkzeug, welches es ihnen erlaubt, ihre Stimmen zu erheben, dienen mag, sind viele Menschen gleichzeitig digital überfordert. Das SRF berichtete kürzlich, dass Menschen in Armut besonders gefährdet sind, in der digitalen Welt abgehängt zu werden. 

Einerseits braucht es also Geld, um digital mitzukommen, andererseits auch digitale Grundkompetenzen, um die digitalen Angebote dann auch nutzen zu können. In der Schweiz hat laut Isabelle Lüthi, Leiterin des Armutsforum zum Thema Digitalisierung und Armut bei Caritas Zürich, ein Viertel der Schweizer Bevölkerung geringe oder gar keine digitalen Kompetenzen. Das Alter, mangelnde Schulbildung, Lese- oder Schreibschwächen oder eine defensive Haltung gegenüber Neuem sowie fehlende sprachlichen Kenntnisse sind Faktoren, welche den digitalen Graben vergrössern. 

Viele Menschen fühlen sich von der Digitalisierung bedroht, weil viele Arbeitsstellen automatisiert und in Zukunft «überflüssig» werden. So wird geschätzt, dass in der Schweiz bis 2030 aufgrund der Digitalisierung bis zu 1,2 Mio. Arbeitsplätze wegfallen. Obwohl gleichzeitig neue Stellen insbesondere im Computerbereich geschaffen werden, werden Arbeitsplätze für Menschen mit tieferen Qualifikationen verschwinden. 

Diverse Studien zeigen, dass die Schere zwischen arm und reich durch die Digitalisierung weiter auseinandergeht. Während vermögende Unternehmer:innen immer mehr an der Automatisierung verdienen, werden Arbeitende ersetzt und deren Löhne – weil es weniger Stellen und mehr Bewerbende hat – herabgesetzt. Ein Beispiel dafür ist Amazon: Jeff Bezos, Inhaber und CEO von Amazon, ist heute einer der reichsten Menschen der Welt, da er fast alles automatisiert hat und seine Arbeitnehmenden massiv ausbeutet.

Obwohl laut der Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich in der Schweiz noch kein Jobmangel aufgrund der Digitalisierung zu beobachten sei, würden Arbeitskräfte mit einem hohen Anteil an Routinetätigkeiten wie Fabrikarbeitende und Büro- und Kassenangestellte zukünftig an Arbeitsmöglichkeiten einbüssen. Dies kann zum Verschwinden der Mittelklasse und zu zunehmender Ungleichheit beitragen. Gefordert werden von Fachleuten und Anlaufstellen für digital Benachteiligte wie Caritas Zürich oder Planet 13 (Basel) gezielte Weiterbildungsmöglichkeiten für die Menschen, denen digitale Kenntnisse und Kompetenzen fehlen, sowie politische Massnahmen. 


Meret Yannice Wälti

27-jährig, ist Anthropologin spezialisiert in Gender-, Frieden- und Sicherheitsfragen. Heute lebt und arbeitet sie als freischaffende Texterin und Lektorin in Bogotá, Kolumbien.“