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Jedes fünfte Kind ist armutsbedroht

Laut dem Bundesamt für Statistik ist eines von fünf Schweizer Kindern, also 20,7% aller unter 18-jährigen Menschen, aktuell armutsbedroht. Laut der Stiftung Beobachter sitzen in jeder Schweizer Schulklasse 1-2 armutsbetroffene sowie 1-2 armutsbedrohte Kinder und Jugendliche. Kinderarmut ist kein Phänomen von «ärmeren Ländern», sondern auch von der Schweiz, wenn auch verdeckter. Von Armut wird in der Schweiz dann gesprochen, wenn man seine Existenz nicht mehr sichern, seine grundlegenden Bedürfnisse (auch soziale) nicht mehr befriedigen und kein Leben in Würde mehr leben kann. 

Oft leben diese Kinder in Armut oder sind von Armut bedroht, deren Eltern schlecht gebildet, chronisch krank, arbeitslos und/oder alleinerziehend sind. Kinder, die in armen Familien aufwachsen, übernehmen oftmals die Ansichten und Verhaltensweisen von ihren Eltern und wachsen mit einem Gefühl der «Andersartigkeit» auf. Armut kann somit das Selbstwertgefühl und das Selbstbewusstsein schwächen. So werden in Armut aufwachsende Kinder nicht selten zu Mobbingopfern und stigmatisiert, weil sie beispielsweise an vielen Aktivitäten nicht teilhaben können. 

Ausserdem bleibt der soziale Aufstieg oft ein Märchen: Finanziell geschwächte Eltern können den Kindern keine adäquaten Ausbildungs- und Fördermöglichkeiten finanzieren und so haben die Kinder einen grossen Nachteil in leistungsorientierten Gesellschaften. Wenn keine Förderung vorliegt, kann es sich – mit Ausnahmen – negativ auf den schulischen Erfolg und das Berufsleben auswirken. «Je länger Kinder in Armut leben, desto negativer sind die Folgen für ihre Entwicklung und ihre Bildungschancen», schreibt die Bertelsmann Stiftung. Wer schon als Kind keine Chance auf eine adäquate Bildung und eine gesicherte Ausbildung erhält, wird auch im Erwachsenenleben nur schwer der Armut entrinnen können. So wird Armut häufig von einer in die nächste Generation weitergege­ben.

Innerhalb weniger Jahre hat sich die Kinderarmut in der Schweiz beinahe verdoppelt, weshalb diese von der Caritas als grösste sozialpolitische Herausforderung in der Schweiz betitelt wurde. Armut wird in der Schweiz immer offensichtlicher und schlimmer und so rechnet Caritas gegen Frühling 2023 mit einer explosionsartigen Zunahme von Armutsfällen.

Von Expert:innen wird darauf hingewiesen, dass der Abbau von Kinderarmut eine gemeinschaftliche Aufgabe sei, und nicht nur die Eltern in Verantwortung stehen. Klaus Hurrelmann schlägt sechs wichtige Schritte vor:

  1. Eine bedingungslose Kindergrundsicherung schaffen
  2. Den Arbeitsmarkt für Eltern umgestalten
  3. Die pädagogische Kompetenz der Eltern fördern
  4. Die soziale Infrastruktur für Familien mit Kindern verbessern
  5. Das Bildungssystem auf gezielte Förderung umstellen
  6. Kinderrechte im Gesetz stärken

Die Caritas argumentiert vor allem für Familienergänzungsleistungen und dafür, dass der Staat mehr in Kinder und Familien investiert. Konkret erwartet sie vom Bund folgendes: 

  • vom Bund ein Rahmengesetz zur Einführung von Familienergänzungsleistungen und eine finanzielle Beteiligung
  • von den Kantonen ergänzende finanzielle Beiträge und eine nachhaltige Ausgestaltung dieser Leistungen.
  • vom neuen Parlament ein klares JA zu einer wirkungsvollen Familienpolitik für alle

Die Caritas hat dem Bund bereits 2019 ein Positionspapier («Die Schweiz darf Kinderarmut nicht tolerieren») aufgelegt, welches bisher leider noch keine grosse Änderungen hervorrufen beziehungsweise Verbesserungen einleiten konnte.